Die Menschenrechte stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Adventsaktion von Miteinander Teilen. Diese Rechte, die in Vergessenheit geraten sind und in Frage gestellt werden, greifen die Botschaft des Evangeliums auf.
Möge dieses Jahr, in dem wir den 70. Geburtstag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begehen, unsere Erinnerung auffrischen! Die Menschenrechte sind weder Luxus noch Errungenschaft: Tagtäglich muss für sie gekämpft werden, insbesondere um soziale Ausgrenzung und Armut zu überwinden.
Am 10. Dezember – vor 70 Jahren – wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR)
von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris verabschiedet. Dieser Text von symbolischer Bedeutung hat zahlreiche internationale Verträge inspiriert, wovon einige auch rechtlich bindend sind. Aber in unserer heutigen Zeit werden die Menschenrechte von führenden Politikern demokratischer Staaten in Frage gestellt. Der amtierende belgische Staatssekretär für Asyl und Migration sagte im vergangenen Juni unverblümt: «Wir müssen einen Weg finden, Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu umgehen1.
Armut ist keine Anhäufung von „Pech gehabt“
Es ist auch kein Kollateralschaden des Systems, auch kein notwendiges Übel oder eine Bestrafung der Faulenzer. Nein, die Armut ist eine Menschenrechtsverletzung, das Merkmal einer Gesellschaft,
die in Schieflage gerät. Und wenn die Menschenrechte eines bedeutenden Teils der Bevölkerung täglich und wissentlich verletzt werden, dann kann man sich nicht mit dem Versuch begnügen, die unwürdigen Lebensbedingungen der Betroffenen zu erleichtern; dann muss man unsere Demokratie hinterfragen, stärken oder gar neu erfinden.
In diesem Jubiläumsjahr sind wir mehr denn je gefordet, die von der Gesellschaft Ausgeschlossenen anders zu betrachten. Alljene, deren Namen wir vergessen und für die wir Bezeichnungen haben :
Obdachlose, Arbeitslose, Papierlose … Als ob diese Menschen nur durch das existierten, was sie nicht haben, ohne jegliche Rücksicht auf ihr Potenzial.
Menschenrechte und Demokratie: eine Verbindung, die bewahrt bleiben muss
Menschenrechte und Demokratie sind untrennbar miteinander verwoben und das muss auch so bleiben. Die Demokratie genügt nicht, um Menschenwürde und Menschenrechte zu schützen: ein demokratisch gewähltes Regime kann Gesetze verabschieden, die im Widerspruch zu den Menschenrechten stehen.
Das gilt etwa für das Gesetz der Todesstrafe, das in den Vereinigten Staaten noch immer in Kraft ist.
Das geschieht auch in Ungarn seit der Wahl von Viktor Orban in 2010. Bei uns beschneiden die in den letzten Jahren getroffenen Sparmaßnahmen die Rechte der Arbeiter und die Sozialversicherung; sie knabbern an Rechten, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgelegt sind.
Die Demokratie: ein Werkzeug, das es zu stärken gilt
Seit 1948 versuchen die Länder der Erde, die die Menschenrechtserklärung unterzeichnet haben, die Demokratie auf ein Ziel hin auszurichten: die Achtung der Rechte – aller Rechte – eines jeden Menschen.
Aber die Demokratie kann auch ganz anderen Zielen dienen, als der Verteidigung der Menschenrechte: Druckgruppen können sie nutzen, um eine für sie günstige Gesetzgebung einzurichten. So geben industrielle Lobbys bedeutende Summen aus, um die Normen in punkto Sozial-, Gesundheits- und Umweltbereich derart zu beeinflussen, dass sie ihrem Ziel der Gewinnmaximierung nicht im Wege stehen.
Sie kann auch in den Dienst der Diskriminierung, des Rassismus oder des Hasses gestellt werden.
Dazu bedienen die Parteien sich der Angst und Unsicherheit, die durch soziale Ungerechtigkeit hervorgerufen wird und fangen die Stimmen der Wähler indem sie Sündenböcke bezeichnen.
In den beiden genannten Fällen ist die Demokratie gefährdet. Wenn sie im Dienst der großen wirtschaftlichen und finanziellen Akteure steht, dann geben die Gewählten ihre Macht ab und werden zu „Förderern“ der Wirtschaft, obwohl sie deren „Regulatoren“ sein müssten. Wenn sie von Parteien genutzt wird, die sich der Diskriminierung verschrieben haben, dann schließt sie einen Teil der Bevölkerung (griechisch „Demos“) aus, der seine Rechte und seine Macht (griechisch „Kratos“)
verliert.
Die Demokratie birgt in sich die Möglichkeit der Selbstzerstörung. Somit ist sie nie gesichert sondern immer im Aufbau. Ihre Gesundheit hängt von der Rangstellung ab, die die Menschenrechte in den Augen der Regierenden – also der sie wählenden Bürger – innehat.
Deshalb findet Miteinander Teilen es in diesem Jahr der Erinnerung und der bevorstehenden Wahlen wichtig, auf die Menschenrechte hinzuweisen und deren Platz als unverrückbares Fundament unserer Gesellschaft zu unterstreichen.
Demokratie und Menschenrechte müssen sich gegenseitig stärken
Wie die Demokratie nie ein für alle Mal gesichert ist, so bedürfen auch die Menschenrechte des ständigen Einsatzes. Denn, wenn sie auch einmütig von den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen(1) anerkannt werden, so bleiben sie eine Utopie, ein Ideal, für das alle Glieder der Gesellschaften sich ständig einsetzen müssen.
„Die Generalversammlung verkündet die vorliegende „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ als das von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal, damit jeder Einzelne und alle Organe der Gesellschaft sich diese Erklärung stets gegenwärtig halten und sich bemühen, durch Unterricht und Erziehung die Achtung dieser Rechte und Freiheiten zu fördern(…)“
Die Tatsache, dass die Menschenrechte allgemein anerkannt werden, heißt noch nicht, dass sie wie durch einen Zauber respektiert werden. Sie sind nur ein frommer Wunsch, wenn sie nicht durch Institutionen verwirklicht und durch Gesetzgebungen gesichert werden.
Erziehung für Kinder und für Erwachsene. Für letztere ist die ständige Weiterbildung von äußerster Wichtigkeit. Die Wähler müssen durch eine freie, unterschiedliche Presse aufgeklärt werden, die nicht von den Interessen großer Finanzgruppen abhängig ist. Sie müssen auch ihre Empfindungen und unvermeidlichen Vorurteile mit der Wirklichkeit in all ihrer Komplexität konfrontieren können.
Indem sie ihre Kritikfähigkeit durch eigene Information, aber vor allem auch durch gemeinsames Suchen, Dialogieren, Begegnen und Debattieren entwickeln, werden sie der Falle des Stimmenfangs und vor allem des Populismus entgehen können.
Persönlich und kollektiv Verantwortung für Menschenrechte übernehmen
Wir können uns natürlich angesichts des Ausmaßes dieser Aufgabe überfordert fühlen, besonders im Kontext der Infragestellung dieser Rechte. Das Wort „kollektiv“ ist ein starkes Gegenmittel gegen den Fatalismus und die Entmutigung. Hunderte von Vereinigungen beweisen es Tag für Tag: unablässig wirken sie für die Achtung dieser Rechte und geben Tausenden von Bürgern ihre Würde wieder. Sie verkörpern diesen notwendigen und niemals ganz gewonnenen Kampf für die Menschenwürde.
Unsere Studie 2018 gibt Ihnen eine kleine, ganz kleine Übersicht über die Arbeit dieser Vereinigungen. Sie lädt ein, jeden Tag dieses Advents inne zu halten in Begleitung einer dieser Vereinigungen und des Rechts, das sie verwirklicht. Kreativität und Ausdauer geben sich die Hand um Hoffnung zu wecken und – warum nicht – noch mehr Einsatz.